Das Online-Wörterbuch für ostfriesisches Plattdeutsch
Zielsetzung und Rahmenbedingungen
- Mit den bisherigen Schreibregeln für das ostfriesische
Niederdeutsch wurden fast 20 Jahre lang Erfahrungen gesammelt. In
Schreibkursen und andernorts wurde festgestellt, dass das bisherige
Regelwerk Unstimmigkeiten enthält und vor allem nicht ausführlich
genug ist. Die vorliegende Überarbeitung und Ergänzung der
Schreibregeln für das ostfriesische Niederdeutsch soll diese Mängel
beheben.
- Auch die Schreibung des Nordniedersächsischen (= das
„Snacker“-Platt) nach Sass hat sich in den letzten 20 Jahren
verändert. Darum wurde bei der Überarbeitung darauf geachtet, die
ostfriesischen Regeln, dort, wo es möglich und sinnvoll ist, an die
Regeln von Sass anzugleichen (z. B. die Verdopplung der Umlaute).
Damit wird das ostfriesische Platt für einen großen Sprachraum
leichter lesbar. Auf regionale Besonderheiten wurde allerdings nicht
verzichtet.
- Die bisherigen Schreibregeln wurden weitgehend beibehalten und nur
dahin gehend verändert, dass das Regelwerk in sich logischer und
besser verständlich ist, damit es leichter erlernbar wird. Wer die
bisherigen Regeln beherrscht, kann sich schnell auf die neue Fassung
einstellen.
- Die Vorbildfunktion des Hochdeutschen wurde beibehalten, weil die
meisten Platt Sprechenden das Schreiben dieser Sprache auf einer
hochdeutschen Alphabetisierungsgrundlage erlernen. Bei Lehn- oder
Fremdwörtern werden Möglichkeiten für eine plattdeutsche Schreibung
eröffnet.
An der Überarbeitung der ostfriesischen Schreibregeln haben
mitgearbeitet:
Garrelt van Borssum (Leer), Hartwig Bothen (Friedeburg), Elke Brückmann
(Aurich), Carl-Heinz Dirks (Emden), Wilko Lücht (Warsingsfehn), Cornelia
Nath (Aurich) und Antje Olthoff (Leer). Als Berater stand Recs Jenkins
(Emden) zur Seite.
I. Grundsätzliches
Es werden nur solche Schriftzeichen verwendet, die auch im Hochdeutschen
gebräuchlich sind.
Die Groß- und Kleinschreibung sowie die Zeichensetzung werden wie im
Hochdeutschen gehandhabt.
II. Länge und Kürze der Vokale
- Lange Vokale
- Bei den langen Vokalen bezeichnet der Buchstabe a in der Regel
einen in der Aus-sprache in verschiedenen Färbungen zwischen [a]
und [o] liegenden Vokal (Aus-nahmen siehe Unterpunkt f). Dieser
wird in geschlossener Silbe (Silbe, die auf einen Konsonanten
endet) durch ein doppeltes a oder ah, z. B.: en paar (ein
paar), Jahr (Jahr).
und in offener Silbe (Silbe, die auf einen Vokal endet) durch ein
einfaches a oder ah gekennzeichnet, z. B.: Pa-ren (Paare),
Jah-ren (Jahre).
Bei einigen Wörtern dieser Lautung liegt der Stamm des Wortes auf
o, entsprechend wird geschrieben z. B.: Poor (Pore) in
geschlossener Silbe und Po-ren (Poren) in offener Silbe.
Im Unterschied hierzu wird in der nordniedersächsischen Schreibung
nach Sass (für Gebiete, in denen sprechen mit snacken übersetzt
wird) für den Vokal, dessen Aus-sprache zwischen [a] und [o]
liegt, häufig oo oder oh bzw. in offener Silbe o oder oh
verwendet, z. B.: en poor (ein paar), Johr (Jahr), Po-ren
(Paare), Joh-ren (Jahre).
Beachte: Hieraus ergibt sich, dass der Unterschied z. B. zwischen
Haar (Haar) und Hoor (Hure), Kaar (Karre)
und Koor (Schar), Paar (Paar) und Poor (Pore),
sparen (sparen) und sporen (spuren) usw. in der
Sassschen Schreibung nicht deutlich gemacht werden kann. Im
Wörterbuch von Johannes Sass findet man zudem auch Wörter wie „Straat“
(Straße) oder „Straaf“ (Strafe), so dass dort
keine eindeutige Regel erkennbar ist.
- In geschlossenen Silben (Silben, die auf einen Konsonanten
enden) werden die Vokale a, e, o, u, ä, ö, ü verdoppelt, wenn sie
lang gesprochen werden und nicht bereits durch ein nachfolgendes h
als lang bezeichnet werden, z. B.: Maan (Mond), heel (ganz),
Boord (Bord), Buur (Bauer), Määrt (März), Spööl (Spiel), Müüs
(Mäuse), und: ik fahr (ich fahre), sehn (sehen), Stohl
(Stuhl), köhl (kühl).
Im An- oder Auslaut werden lang gesprochene Vokale ebenfalls
verdoppelt, falls sie nicht schon durch ein nachfolgendes h als
lang bezeichnet werden, z. B.: Aam (Atem), Eek (Eiche), Oog
(Auge), Uul (Eule), schaa (schade), Snee (Schnitt), Boo (Bau),
Lüü (Leute), und: Ohm (Oheim, Onkel), ik gah (ich
gehe), Reh (Reh), Schoh (Schuh).
Auch hier gilt die Regel, dass in einer offenen Silbe die
Vokalverdopplung entfällt, z. B.: Aap / A-pen (Affe / Affen),
Slee / Sle-den (Schlitten). In geschlossener Silbe bleibt
sie erhalten, z. B.: Aant / Aan-ten (Ente / Enten). Es
gibt Ausnahmen für Auslaute von festen Lautverbindungen (vgl.
II,i).
- Das h steht bei solchen plattdeutschen Wörtern, deren
hochdeutsche Entsprechung es enthält, wie z. B.: betahlen
(bezahlen), tehren (zehren), Stohl (Stuhl), Kuhl/e (Kuhle),
Köhlen (Kohlen), Ohr (Ohr), Koh (Kuh), maihen (mähen), breihen
(brühen), gleihnig (glühend).
- In Beugungsformen (Konjugation und Deklination) werden
geschlossene Silben häufig zu offenen Silben. Die Verdopplung lang
gesprochener Vokale entfällt dann regelgemäß, z. B.: Straat /
Stra-ten (Straße / Straßen), Seel / Se-len (Seele / Seelen),
Boot / Bo-ten (Boot / Boote), Kuus / Ku-sen (Backenzahn /
Backenzähne), Döör / Dö-ren (Tür / Türen), Müür / Mü-ren (Mauer
/ Mauern).
- In der Konjugation tritt der umgekehrte Fall auf, z. B.: ma-ken
/ ik maak (machen), le-ven / ik leev (leben), pro-ten / ik proot
(sprechen), ru-ken / ik ruuk (riechen), flö-ken / ik flöök
(fluchen).
Das h hingegen bleibt immer erhalten, z. B.: Pahl / Pah-len
(Pfahl), besehrt / beseh-ren (versehren), Röhr / Röh-ren (Rohr).
Wenn im Infinitiv eines Verbs ein h steht, wird dies in allen lang
gesprochenen For-men beibehalten, z. B.: nehmen - nohm -
nohmen (nehmen); gahn - he is gahn (ge-hen); bleihen/bleuhen -
dat bleihde / bleuhde - dat hett bleiht/bleuht (blühen).
Beachte: Bei lang gesprochenem Vokal, auf den -st folgt, wird die
Silbe nach dem s getrennt. So bleiben die geschlossene Silbe und
die Vokalverdopplung erhalten, z. B.: Beest / Bees-ten (Rind
/ Rinder), meest / de mees-ten (meistens / die meisten), ik
hoost / hoos-ten (husten), ik puust / puus-ten (pusten),
düüs-ter (dunkel).
- Das lang gesprochene, betonte i wird in offener und
geschlossener Silbe ie ge-schrieben, z. B.: Diek / Die-ken
(Deich / Deiche), Tied / Tie-den (Zeit / Zeiten), liek / lie-ker
(gerade / gerader), ik kiek / kie-ken (gucken), Fie-lapper
(Schmetterling), Ie-loov (Efeu), auch: mien (mein), dien (dein),
sien (sein). Aber (unbetont): simeleren (nachdenken), Visiet
(Besuch).
- Eine beträchtliche Anzahl von zweisilbigen Wörtern hatte früher
im südlichen Ost-friesland und hat auch heute noch in
Sprachgebieten außerhalb Ostfrieslands einen kurz gesprochenen
Vokal und ein Endungs-e, das im ostfriesischen Raum mittlerweile
weitgehend verschwunden ist. Der Abfall des Endungs-e bewirkt bis
heute die Dehnung und klangliche Veränderung des vorangehenden
Vokals. Trotz eines folgenden doppelten Konsonanten oder mehrerer
verschiedener folgender Konsonanten werden die Vokale in diesem
Fall lang gesprochen.
Beispiele mit folgendem doppeltem Konsonanten: Katte - Katt
(Katze), Kleppe - Klepp (Türgriff), sesse - sess (sechs), Bigge
- Bigg (Ferkel), wisse - wiss (wirklich, sicherlich), Dobbe -
Dobb (Wassergrube, Teich), Kumme - Kumm (Schüssel), Stünne -
Stünn (Stunde), Rötte - Rött (Ratte).
Beispiele mit zwei verschiedenen folgenden Konsonanten: Lampe
- Lamp (Lampe), lange - lang (lang, lange), Rente - Rent
(Rente), Hinte - Hint (Ortsname), Klocke - Klock (Uhr), Tunge -
Tung (Zunge), Sörge - Sörg (Sorge), Bülte - Bült (Haufen).
Beispiele mit drei folgenden Konsonanten: Längde - Längd (Länge),
Stillte - Stillt (Stille).
Ein Vergleich mit der sonst üblichen Lautung der Vokale macht die
klangliche Ver-änderung bei Wörtern mit abgefallenem Endungs-e
hörbar (die folgenden Wörter bit-te laut lesen):
Abgefallenes Endungs-e
maal (mal) mall (verrückt)
leep (schlimm) Klepp (Türklinke)
Rieg (Reihe) Bigg (Ferkel)
Loop (Lauf) Sopp (Suppe)
Luun (Laune) Runn (Runde)
Gröötnis (Grußwort) Grött (Größe)
schüün (abschüssig) Sünn (Sonne)
Besondere Bedeutung hat diese Regel für das lang und hell
gesprochene a (wie hoch-deutsch „Saal“). Es entsteht in Wörtern,
die das Endungs-e verloren haben, z. B.: malle - mall
(verrückt), alle - all (alle), Panne - Pann (Pfanne), Lappe -
Lapp (Lappen), Tasse - Tass (Tasse), oder durch die
Verbindung -ar zusammen mit weiteren Konsonanten, z. B.: hard
(hart), Barg (Berg), Kark (Kirche), Larm (Lärm), karnen
(buttern), Harp (Harfe), Scharr (Schatten), Part (Teil), Harvst
(Herbst).
Hieraus ergibt sich, dass für einen Plattdeutsch Lernenden aus dem
Schriftbild nicht eindeutig ersichtlich ist, ob ein Vokal kurz
oder lang gesprochen wird. In den sehr seltenen Fällen gleich
geschriebener Wörter mit unterschiedlicher Bedeutung er-schließt
sich der Sinn aus dem Zusammenhang, z. B.: wassen (waren)
oder wassen (wachsen).
- Die Dehnung und lautliche Veränderung des Vokales bei folgendem
doppeltem Konsonanten kommt auch in etlichen Verben vor, z. B.: ik
harr (ich hatte), laggen (lachen), leggen (legen), liggen
(liegen), torren (zerren), wi wurren (wir wurden), betüssen
(beschwichtigen), rössen (hauen, kratzen, striegeln).
- Bei folgendem doppeltem Konsonanten wird oft fälschlicherweise
ein -r- oder (vor allem nach i) ein -er- in der Schreibung
vermutet. Der schwache Auslaut gehört jedoch zum Vokal und wird
nicht geschrieben, z. B: mall (verrückt), passen (passen),
Bedd (Bett), Biggen (Ferkel), pissen (pissen), zissen (zischen),
Poggen (Frösche), oll (alt), wussen (gewachsen), Rügg (Rücken).
- Die Lautverbindungen aai, eei, ooi und ööi sind feststehend und
werden nicht durch ein zusätzliches h gedehnt, auch wenn dies in
der hochdeutschen Entsprechung steht. Sie werden sowohl in offener
als auch in geschlossener Silbe aai, eei, ooi und ööi geschrieben,
z. B.: taai (zäh), neei (neu), mooi (schön), mööi (müde),
nooit (nie), he knooit (er schuftet). Das gilt auch für
Wortzusammensetzungen, z. B.: Freei-tied, Neei-jahr usw.
- In einigen Beugungsformen werden diese Lautverbindungen
getrennt, wobei die Vo-kalverdopplung entfällt und das Endungs -i
zum Anfangs j- der abgetrennten Silbe wird, z. B.: ta-jer,
ne-jer, mo-jer, mö-jer, kno-jen.
Beachte: Gemäß allgemeiner norddeutscher Plattdeutschschreibung
werden See (Meer), twee (zwei) und dree (drei) sowie abgeleitete
(mehrsilbige) Substantive im Auslaut lediglich -ee geschrieben, z.
B.: Snackeree (Gerede), Kauelee (Geschwätz), Buurderee
(Landwirtschaft), Fiskeree (Fischerei).
- Die Lautverbindung ai wird nur dort benutzt, wo die
hochdeutsche Entsprechung ein ai oder ein ä enthält, z. B.: saien
(säen), Kraih (Krähe), Maimaant (Mai), maihen (mähen). Ansonsten
wird ei geschrieben, z. B.: Dreih (Dreh), breien (stricken),
brei-hen (brühen).
- In kurzen, wenig betonten Wörtern unterbleibt die Verdopplung
des Vokales, wie z. B.: blot (bloß), her (her), hör (ihr), ok
(auch), ut (aus), rut (heraus), to (zu). Dies gilt auch für
den Auslaut bei Pronomen, z. B.: mi (mir/mich), du (du), di
(dir/dich), he (er), se (sie), wi (wir), ji (ihr), jo (euch).
- Bei der Schreibung lang gesprochener geschlossener Endsilben,
deren Lautung zwischen [a] und [o] liegt, wie -baar, -gaal
-maal, -maals, -saam, -waar, und -waars wird das
a regelgemäß verdoppelt, z. B.: sünnerbaar (sonderbar),
eengaal (glatt, gleichmäßig), eenmaal (einmal), vöölmaals
(vielmals), liesaam (leise), annerswaar (anderswo), enerwaars
(irgendwo). Aus Lautungsgründen gilt dies auch für wenig
betonte kurze Wörter wie daar (da), gaar (gar) und waar (wo).
Zugelassene Formen aus dem Nordniedersächsischen sind sünnerboor,
eengool, eenmool, vöölmools, liesoom usw. Bei wenig
betonten kurzen Wörtern entfällt regelgemäß die Verdoppelung, z.
B.: dor, gor, wor; ebenso in Zusammensetzungen, z. B.: enerwors,
annerswor, dorvan.
Das e in der lang gesprochenen Endsilbe -deem und das o in der
Endsilbe -doom werden ebenfalls verdoppelt, z. B.: vördeem
(vorher), Wassdoom (Wachstum), Riek-doom (Reichtum). Das o
in der Endsilbe –los wird nicht verdoppelt.
- Kurze Vokale
- Die Kürze des Vokales und Umlautes wird durch mehrere folgende
Konsonanten bezeichnet, z. B. durch Konsonantenverdopplung: Bladd
(Blatt), Nett (Netz), Lidd (Gelenk), Kopp (Kopf), Nütt (Nutzen),
vull (voll), oder verschiedene folgende Konsonanten: Jank
(Verlangen), Wind (Wind), Wennst (Gewohnheit), Schuld (Schuld),
Sprütz (Spritze).
- Bei kurzen, wenig betonten Wörtern wird der Konsonant nicht
verdoppelt, z. B.: al (schon), dit (dies), dat (das, jenes),
wat (was), hen (hin), ik (ich), nüms (niemand). of (ob), sük
(sich), up (auf).
- In kurz gesprochenen Endsilben wird das Endungs-g nicht
verdoppelt, z. B.: Bidrag (Beitrag), Dag (Tag), Slag
(Schlag), Weg (Weg), Tog (Zug). Das Endungs-g wird wie das
ch in dem hochdeutschen Wort „Dach“ ausgesprochen.
- Konjugationsformen
Bei den unregelmäßigen Verben tritt in der Gegenwart in der 2. und 3.
Person Ein-zahl häufig eine Verkürzung (Schärfung) des Stammvokals
auf, die durch eine Ver-dopplung des Konsonanten bezeichnet wird, z.
B.:
lieden (leiden): ik lie(d); du liddst; he, se liddt;
wi, ji, se lieden/liedt
komen (kommen): ik koom; du kummst; he, se kummt;
wi, ji, se komen/koomt
griepen (greifen): ik griep; du grippst; he, se grippt;
wi, ji, se griepen/griept
Dabei kann sich der Vokal des Stammes verändern, z. B.:
legen (lügen): ik leeg; du lüggst;
he, se lüggt; wi, ji, se legen/leegt
Es kann sich auch der Konsonant des Stammes verändern, z. B.:
geven (geben): ik geev; du giffst; he, se gifft;
wi, ji, se geven/geevt
kieken (sehen): ik kiek; du kickst; he, se kickt;
wi, ji, se kieken/kiekt
kopen (kaufen): ik koop; du köffst; he, se köfft;
wi, ji, se kopen/koopt
Bei einem Stamm, der auf -s endet, wird dieses in
der Schärfung nicht verdoppelt, z. B.:
fresen (frieren): ik frees; du früst; he, se früst;
wi, ji, se fresen/freest
Bei einem Stamm, der auf -t endet, fällt in der 3.
Person Singular Präsens ein - t - weg, z. B.:
bieten (beißen): ik biet; du bittst; he, se bitt;
wi, ji, se bieten/biet
geten (gießen): ik geet; du güttst; he, se gütt;
wi, ji, geten/geet
gröten (grüßen): ik grööt; du gröttst; he, se grött;
wi, ji, se gröten/grööt
Wenn im Infinitiv des Verbs ein h steht, wird dies
in allen lang gesprochenen For-men beibehalten. Beispiele:
nehmen (nehmen): ik nehm
– ik nohm – ik hebb nohmen
gahn (gehen): ik gah;
du geihst; he, se geiht; wi, ji,
se gahn / gaht; – he, se is gahn
bleihen/bleuhen (blühen):
dat bleiht / bleuht – dat bleihde
/ bleuhde – dat hett bleiht/bleuht
III. Schreibung der Konsonanten
- s + Konsonant
Das s im Anlaut in Verbindung mit weiteren Konsonanten ist in großen
Teilen Ost-frieslands ein eigenständiger Laut, dessen Aussprache in
verschiedenen Variationen zwischen einem stimmhaften [s] und [sch]
angesiedelt ist. Insgesamt ist diese Besonderheit in der Aussprache
des ostfriesischen Platt zugunsten der nordniedersächsischen
Aussprache [sch] rückläufig.
- s + ch oder s + k: Das dem s folgende ch wird als [k]
gesprochen, so dass in weiten Teilen Ostfrieslands die
Konsonantenverbindungen sch und sk gleichermaßen wie [sk] oder
[schk] ausgesprochen werden.
Am Wortanfang (Anlaut) wird bei nachfolgendem Vokal oder
nachfolgendem r im-mer sch- geschrieben, z. B. Schaap
(Schaf), Scheer (Schere), School (Schule), Schuur (Schauer),
Schöör (Riss), schümen (schäumen), schrieven (schreiben).
Bei zusammengesetzten Wörtern bleibt der Anlaut erhalten, z. B.: Melkschaap
(Milchschaf), Grundschool (Grundschule), Regenschuur
(Regenschauer).
In der Wortmitte (Inlaut) und am Wortende (Auslaut) hingegen wird
in den Gegen-den Ostfrieslands, in denen [sk] oder [schk]
gesprochen wird, sk geschrieben, z. B.: wasken (waschen),
fisken (fischen), dösken (dreschen), Fisk (Fisch), düütsk
(deutsch).
Wo ein hochdeutsches [sch] gesprochen wird, wird dieses auch
geschrieben, z. B.: waschen, fischen, döschen, Fisch und
düütsch.
Wo nur [s] gesprochen wird, wird dies ebenfalls geschrieben, z.
B.: Fiss (Fisch), düüts (deutsch), engels (englisch).
Die einmal gewählte Form wird in Beugungsformen beibehalten, z. B:
Fisk - Fisken oder Fisch - Fischen oder Fiss - Fissen.
- Vor l, m, n, p, t und w steht allgemein nur s, auch wenn [sch]
gesprochen wird, z. B.: slaan (schlagen), smeren (schmieren),
snuven (schnauben), spölen (spielen), stuur (schwierig), Swien
(Schwein), Bispööl (Beispiel), verstahn (verstehen), Beswaar
(Beschwerde).
- Sonstige Konsonanten
- Die Schreibung des Auslautes richtet sich nach der Beugung, z.
B.: Strafen - Straaf (Strafe), Breven - Breev (Brief), lever
- leev (lieb), hoger/höger - hoog (hoch), Drahden - Drahd
(Zwirn, Faden), Tieden - Tied (Zeit).
Beachte: Ein t zwischen zwei Vokalen wird manchmal wie ein d
ausgesprochen, z. B.: Ketel (Kessel), Slötel (Schlüssel),
Schöttel (Schüssel), grote Boten (große Boo-te), spietelk
(bedauerlich). Hier gelten die Regeln der Lautverschiebung
(Hoch-deutsch s = Niederdeutsch t).
- Wo im Hochdeutschen ein b zwischen zwei Vokalen steht, liegt
die Aussprache im Ostfriesischen häufig zwischen [b] und [w] oder
wird so zusammengezogen, dass kein b mehr hörbar ist. Dies wird in
der Schreibung durch ein v gekennzeichnet, z. B.: Avend
(Abend), Gevel (Giebel), leven (leben).
Wo ein klares [b] gesprochen wird, wird auch b geschrieben. In
ganz Ostfriesland gilt dies z. B. für lebennig (lebendig).
- Ein anlautendes f oder v wird entsprechend dem Hochdeutschen
geschrieben, z. B.: för (für), vör (vor). Eine Ausnahme nach
allgemeiner niederdeutscher Schreibweise ist: Voss (Fuchs).
IV. Konjugation und Ordnungszahlen
- Konjugation
- In der regelmäßigen Konjugation gelten in der Gegenwart folgende
Endungen, hier am Beispiel vertellen (erzählen) dargestellt:
ik vertell wi vertellen / vertellt
du vertellst ji vertellen /
vertellt
he/se vertellt se vertellen /
vertellt
- Die regelmäßige Vergangenheit hat folgende Endungen:
ik vertellde wi vertellden
du vertelldest ji vertellden
he/se vertell(de) se vertellden
- Das regelmäßige Partizip Perfekt endet auf -t, z. B.: he
hett vertellt. Das Partizip Präsens endet
auf –d, z. B.: lopend Wark
(laufende Arbeit/en).
- Ordnungszahlen
Die Ordnungszahlen von zwei bis zwölf werden durch Anhängen von –d/e
oder –t/e gebildet. „Eerst/e“ und „lest/e“ haben, wie die
Ordnungszahlen ab zwanzig, die En-dung –st oder -ste.
de eerst/e
de tweed/e
de dard/e
de veerd/e
de fievd/e
de sessd/e
de sövent/e (auch: sövend/e)
de acht/e (auch: achtd/e)
de negent/e ( auch: negend/e)
de teihnt/e (auch: teihnd/e)
de elvd/e
de twalvd/e
Ab der Zahl dreizehn wird die Ordnungszahl durch Anhängen von -d/e
oder -st/e ge-bildet:
de darteihnd/e oder de darteihnst/e
de veerteihnd/e oder de veerteihnst/e
usw. …
Ab der Zahl zwanzig wird die Ordnungszahl durch Anhängen von –st oder
-ste ge-bildet:
de twintigst/e
de dartigst/e
usw. …
- Superlative
Der regelmäßige Superlativ wird durch Anhängen der Endung -ste an die
Grundform des Adjektivs gebildet, z. B.: de Lüttjetste - Lüttste
(der/die Kleinste), de Mooiste (der/die Schönste), de Mallste
(der/die Verrückteste), dat Düdelkste (das Deutlichs-te).
V. Endungen und Auslassungszeichen
- 1. Endungen
- Alle Endsilben werden ausgeschrieben, auch wenn sie meist
verkürzt gesprochen werden. Lediglich in der wörtlichen Rede
können Auslassungszeichen als künstleri-sches Ausdrucksmittel
eingesetzt werden. Insbesondere steht kein Auslassungszeichen bei
Beugungsformen (vor allem Plural), wie z. B.: Hannen (Hände),
Benen (Beine), Frünnen (Freunde), und Verbformen, wie z.
B.: wi harren (wir hatten), hebben (haben), hollen (halten),
worden (werden).
- Wenn die 1. Person Einzahl (Stammform) eines Verbs auf -ah,
-eh, -el oder -er endet, wird in der Grundform (Infinitiv) nur ein
-n angehängt, z. B.: ik gah - gahn (gehen), ik seh - sehn
(sehen), ik kakel - kakeln (gackern), ik keier - keiern
(spazieren gehen).
Dasselbe gilt für die einsilbigen Verben slaan (schlagen)
und doon (tun).
- Bei Verben mit dem Stamm auf -eih oder -ier hingegen wird die
Endung ausgeschrieben: ik dreih - dreihen (drehen), ik fier -
fieren (feiern).
- 2. Auslassungszeichen
Auslassungszeichen werden grundsätzlich selten benötigt, da der
Sprachkundige weiß, wo in der Aussprache verkürzt wird und wo nicht.
Das Auslassungszeichen kann stehen als Verkürzung für
- die bestimmten Artikel de und dat: in d‘ Kark, in ‘t / in’t
Water;
- den unbestimmten Artikel en: an ‘n / an‘n Boom, in ‘n / in‘n
Breev;
- die unbestimmten Fürwörter een und man: Dat kann ‘n woll
verwachten;
- die persönlichen Fürwörter ik, se und Se: Dat kann ‘k neet. Dat
hett s’ neet höört. Dat weten S’ neet?
- daar: Wat is d’r? He hett d‘r wat mit to doon.
- 3. Verkleinerungs- und andere Endungsformen
- Die Verkleinerungsformen -je, -jen, -tje, -tjen und -ke werden
an das Wort ange-hängt, ohne dass dies sich verändert, z. B.: Pootje
(Pfötchen), Pottje (Töpfchen), Poortje (Türchen), drittjen
(trippeln), prootjen (plaudern), Manntje (Männlein), Huuske
(Häuschen).
- Dasselbe gilt für die weibliche Endungsform -ske, z. B. Ollske
(die Alte, Ehefrau), und die Adjektivendung -sk, z. B.: narrsk
(närrisch), luunsk (launisch.
VI. Fremd- / Lehnwörter und Einzellaute
- Bei Fremdwörtern und Lehnwörtern mit einem lang gesprochenen Vokal,
der zwi-schen a und o liegt, wird dieser aus Lautungsgründen in
geschlossener Silbe verdop-pelt, z. B.: Lokaal (Lokal), Kanaal
(Kanal), normaal (normal), Automaat (Automat).
Bei anderen lang gesprochenen Vokalen ist in einigen Fällen
freigestellt, ob die Ori-ginalschreibung beibehalten oder der
plattdeutschen Lautung und Schreibung ange-passt wird, z. B.: Probleem
(Problem), Appelsien (Apfelsine), Telefoon (Telefon), Religioon
(Religion), Laboor (Labor), Natuur (Natur).
Dies gilt auch für kurze Vokale, z. B.: Radd (Rad), Webbstee
(website).
Entsprechend der Regel, dass ein i am Anfang einer Silbe zu j wird,
kann Famielje oder Feerjen geschrieben werden.
- Bei lang gesprochenen Vokalen bleibt die einmal gewählte Schreibung
in der Mehrzahl erhalten, z. B.: Familie – Familien oder Famielje
– Famieljen; Gardin(e) – Gardinen oder Gardien – Gardienen.
- Der allgemeinen niederdeutschen Schreibweise folgend wird
geschrieben: nix (nichts), Büx (Hose), Lex (Lektion).
- Der gesprochene kw- Laut wird als qu- geschrieben, z. B.: quietworden
(loswer-den), quaad (schlecht, böse), queteln (quatschen).
Eine Ausnahme bilden die Konjugationsformen he kwamm / kweem (er
kam).
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